Ich wollte nie ein Sammler sein. Für mich sollte praktisch alles was ich besitze eine sich selbst innewohnende Funktion erfüllen. Eine Kamera muss fotografieren, eine Schallplatte muss klingen, eine Schreibmaschine muss schreiben. Die Annahme, dass ein Gegenstand eine pure dekorative Funktion erfüllt, oder sein Dasein durch das bloße Besitzen rechtfertigt, finde ich persönlich absurd.
Für Sammler ist das oft anders. Selbstverständlich trägt man durch seine Leidenschaft auch der Erhaltung der Objekte nach denen man trachtet bei. So kann der Sammler einen fast museologischen Beitrag leisten. Doch oft ist das Gesammelte einerseits nicht der Öffentlichkeit zugänglich und des weiteren trachtet es viele Kollektoren eben doch nur nach dem Aspekt des Besitzens. Wie sollte es einem normalen Menschen auch möglich sein, seine 400 Kameras oder 150 Schreibmaschinen so oft und ausgiebig zu nutzen, dass der Besitz der jeweiligen Objekte, einem Menschen wie mir, angebracht erscheint.
Und nun sitze ich hier mit eben diesem Dilemma und sinniere über den Sinn und Unsinn zweier Schreibmaschinen, welche Im Prinzip exakt das selbe tun, aber eben doch völlig unterschiedlich zu sein scheinen.
Wer diesen Blog kennt, wird sich noch an meinen Beitrag vom Anfang des Jahres 2016 erinnern. Damals überkam mich die große und etwas irrationale Lust eine Schreibmaschine zu besitzen. Das Selbsternannte Ziel dieser Anschaffung war es mein Schreiben auf einer ablenkungs-freien analogen Maschine zu erledigen.
Briefe und Essays sollten entstehen, Blogbeiträge, ein Tagebuch.
Überraschenderweise klappte das ab und zu sogar. Besonders hervorzuheben wäre das Review der Ricoh GR1s und mein Privates Journal, was keinerlei Veröffentlichung bedarf. In besonders unregelmäßigen Abständen überkam mich die Lust auf ein paar brachiale Anschläge auf der grasgrünen Brother Deluxe 220 und die Befriedigung die ich empfand, entschädigte die Anschaffung jedes mal aufs neue.
Ich war zufrieden.
Als frisch gebackener Fan der klackernden Technikwunder, blieb ich natürlich trotzdem auf dem Laufenden, belas mich über ältere und neuere Maschinen. Bestaunte Bestände und Fotos von eifrigen Mitgliedern der reddit Community und freute mich mit jedem der seine Liebe zum Tippen neu entdeckte. Auch die provisorische automatische Suche auf Ebay Kleinanzeigen lief im Hintergrund und zeigte mir täglich Schätze und Wracks von deutschen Dachböden. Was hier noch blieb war die Vernunft darüber, mein Geld lieber in Sinnvolle, statt redundante Ausgaben zu stecken und so konnte ich umso beruhigter die teils lächerlich überteuerten Letteras, Olympias und Hermes’ ignorieren. Doch das Schicksal schlägt eben doch gern zu, wenn man es am wenigsten erwartet und so bin ich nun, einen Umzug nach Berlin und einen Fahrradweg zur Currywurstbude um eine Hermes Baby schwerer.
Die Vernunft hätte mir diese Anschaffung eigentlich verbieten sollen. Aber nur 10 Euro für eine der scheinbar legendärsten Reiseschreibmaschinen der Geschichte? Der Kopf sagte “Unsinn”, aber das Herz war begeistert. Und wenn man sie so betrachtet, dann kann man das Herz auch gut verstehen.
Als mich Merle dann fragte, was denn nun an dieser Maschine besser sein sollte, als an der schon angeschafften, bekam ich vorerst doch nur esoterisches Geblubber aus meinen Mund. Natürlich sind diese Maschinen grundsätzlich gleich. Die Funktion ist exakt dieselbe. Was sie am meisten voneinander Unterscheidet ist etwas, was man mit Worten recht schwer begreiflich machen kann. Besonders einem Laien, der praktisch nie eine Schreibmaschine benutzt. Bei einer Technologie, die über Jahrzehnte hinweg, Stück für Stück verbessert wurde, fällt die Erklärung noch viel schwerer. Noch komplizierter ist es, wenn man sich ins Gewissen ruft, dass die Brother Deluxe eigentlich die viel fortschrittlichere Maschine ist.
Also nochmal: “Warum, Johannes?”. Der Unterschied wird einem dann doch erst bei ausgiebiger Benutzung bewusst. Hier wird schnell klar, dass die Brother zwar die präzisere ist, aber die Hermes diejenige, die das gewisse Etwas an Freude mit sich bringt.
Zwei Dinge stechen besonders hervor:
Das Geräusch was die Typenhämmer auf Papier und der Gummirolle machen ist so viel direkter und eleganter als das grobschlächtige Donnern der Brother, dass es einem ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Zum Anderen ist es die Leichtigkeit, mit der sich die Tasten der Hermes Baby betätigen lassen. In meinem besonderen Fall (und das kann jeder selbst sehen, der sich den wilden Entwurf dieses Beitrags anschaut) gibt es zwar Probleme mit ein paar wenigen Tasten, die sich unverhältnismäßig langsam zu bewegen scheinen – dennoch ist der gefühlte Unterschied gewaltig. Greift man dann zur Brother, ist man erst einmal vom Geräusch der gesamten Mechanik schockiert. Dann stellt sich schnell das Gefühl ein, dass Nutzer von Mechanischen Keyboards haben müssen. Man arbeitet. Jeder Anschlag ist ein Akt und jeder Buchstabe ist ein Ergebnis. Es ist als würde man eine Aufgabe nach der anderen abhaken.
Wechselt man nun zurück zur Baby, so fühlt man wieder die Leichtigkeit und das Fliegen der Finger über die Mintgrünen tasten. Hin und her versuche ich nun also herauszufinden ob ich die technisch einwandfreie Brother Deluxe verkaufen sollte, oder ob die quengelige aber frivole Hermes gehen muss.
Und der einzige Grund warum ich das tue ist, weil ich eben kein Sammler sein möchte. Aber der Fakt, dass ich mich wahrscheinlich nie, oder zumindest in den nächsten 5 Monaten nicht entscheiden werde scheint dieses Unterfangen unmöglich zu machen.
Willkommen Zuhause, Hermes. Ich hoffe inständig du markierst die Obergrenze von Schreibmaschinen in unserem Haus.